Armut bekämpfen
15,4 Prozent der Menschen in Rheinland-Pfalz sind von Armut betroffen. Zu dieser Gruppe zählen insbesondere ältere Menschen, Wohnungslose sowie Alleinerziehende und Kinder.
Problembeschreibung
15,5 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Armut betroffen, wolle man der Armutsdefinition der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik EU-SILC (European Union Statistics on Income and Living Conditions) folgen, nach der als einkommensarm gilt, wer mit seinem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. In Rheinland-Pfalz sind es 15,4 Prozent.
Armut geht einher mit Stigmatisierungen und Benachteiligungen, welche dazu führen, dass einkommensarme Menschen in der Gesellschaft Teilhabemöglichkeiten und Chancen, beispielsweise zur persönlichen und beruflichen Entwicklung, verwehrt werden. Von Armut betroffene Menschen haben ein höheres Krankheitsrisiko und erreichen im Durchschnitt nicht das gleiche Alter wie die Vergleichsgruppen, welche nicht von Armut betroffen sind.
Wohnungslose Menschen trifft dieses Problem mit besonderer Härte. Die Stufensysteme, welche trotz Kritik und dem Aufkommen von anderen Herangehensweisen oft als Königsweg im Umgang mit wohnungslosen Menschen gesehen wird, sind immer noch Standard. Problematisch ist dabei zunächst die Qualität der Wohnformen vor allem in den niedrigen Stufen, die Begrenzung der Privatsphäre und die hohen Anforderungen des Mitwirkens. Stigmatisierungen und generelle Wohnraumknappheit führen dazu, dass einst Wohnungslose in Übergangswohnungen verbleiben müssen, weil es keine Alternative gibt und sich die Ausgrenzung weiter manifestiert.
Weitere besonders von Armut betroffene Personengruppen sind deutschlandweit und auch in Rheinland-Pfalz ältere Menschen, Alleinerziehende und Kinder. So waren im Jahr 2021 20,1 Prozent der Rentner:innen und Pensionär:innen armutsgefährdet. In Rheinland-Pfalz ist jedes 5. Kind von Armut betroffen, insbesondere Kinder – aus dieser Gruppe sind 44,1 Prozent der Kinder betroffen.
Sozialticket
Die landesweite Einführung eines Sozialtickets für Bezieher:innen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts würde durch die erleichterte Nutzungsmöglichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs die Mobilität von Personen erleichtern, welche von Armut betroffen sind. Dadurch kann ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich gefördert werden.
Kommunale Sozialpässe ortsunabhängig
Einige Städte im Land, darunter Mainz, Worms, Ludwigshafen, Ingelheim, Trier und Kaiserslautern, erleichtern einkommensarmen Familien durch kommunale Sozialpässe die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Sie ermöglichen verbilligte Eintritte in Schwimmbäder und Theater, Ermäßigungen bei Sportangeboten, ÖPNV und Volkshochschule, oder bieten eine Zutrittsmöglichkeit zu Tafeln und Kleiderkammern.
Diese Möglichkeit muss allen Menschen in Rheinland-Pfalz offenstehen, unabhängig vom Wohnort. Das Land sollte Anreize für die Einführung kommunaler Sozialpässe setzen, auch in Landkreisen oder übergreifend für benachbarte Kommunen.
Konzept „Housing First“ nachhaltig und landesweit sichern
In einigen Kommunen in Rheinland-Pfalz wird das Konzept „Housing First“ zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit bereits als Modellprojekt angewandt. In vielen deutschen Städten gibt es bereits Erfahrungen mit dem Konzept. Entgegen dem etablierten Stufenmodell, in dem wohnungslose Menschen erst eine Wohnung beziehen dürfen, wenn sie beispielsweise eine Therapie begonnen oder eine Suchterkrankung in den Griff bekommen haben, meint Housing First wortwörtlich genau das – die Wohnung kommt zuerst. Menschen ohne Wohnung und Obdach müssen sich nicht erst im Hilfesystem beweisen. Sie dürfen ohne Auflagen eine ihnen zur Verfügung gestellte Wohnung beziehen. So sollen Drehtüreffekte vermieden werden, die dazu führen, dass Menschen lange im Hilfesystem oder wohnungslos bleiben. Das Zuhause ist in diesem Konzept gleichzeitig ein Rückzugsort und ein Ort der Stärkung, von dem aus Integration und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.
Das Konzept „Housing First“ ist bei erfolgreicher Erprobung auf das ganze Land auszudehnen, um nachhaltig Obdachlosigkeit und die damit zusammenhängenden Probleme, wie fehlende Teilhabechancen für wohnungslose Menschen, deutlich verbessern. Zudem muss es dann über den Modellzeitraum hinaus verstetigt sowie die nötigen finanziellen Mittel, ausreichender Wohnraum und geeignetes Personal sichergestellt werden. Zudem müssen Lösungen gefunden werden für die bisher nicht im rheinland-pfälzischen Konzept Housing First berücksichtigte Personengruppen, beispielsweise psychisch schwer Erkrankte.
Zudem ist bisher mit den Modellprojekten kein besonderes Augenmerk auf wohnungslose Frauen gelegt, da sie es häufig versuchen zu vermeiden, auf der Straße zu schlafen, und lieber kurzfristig bei Bekannten oder Freund:innen übernachten. An dieser Stelle muss eine zeitgemäße, schnelle, sichere und nachhaltige Lösung gefunden werden. Zudem muss die ländliche Wohnungslosigkeit stärker in den Fokus rücken, welche durch die vorwiegend städtischen Modellprojekte zunächst nicht adressiert wurden.
Die schon bestehenden Konzepte der Sozialen Wohnraumförderung im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen Rheinland-Pfalz müssen zügig ausgebaut werden und dafür genügend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Energiezugang
Der Zugang zu Energie ist ein grundlegendes Element der Daseinsfürsorge und gesellschaftlichen Teilhabe.
Angesichts der steigenden Energiepreise hat sich sowohl die Belastung für Haushalte mit geringem Einkommen als auch die Anzahl von Strom- und Gassperren erhöht. Zusätzlich dazu, dass Personen ohne Strom im Kalten und Dunklen sitzen müssen, ist die etwaige Aufhebung der Stromsperre noch mit zusätzlichen Kosten durch den notwendigen Einsatz einer Technikerin oder eines Technikers verbunden, sodass der Zahlungsrückstand zusätzlich erhöht wird.
Hier ist es notwendig, Stromsperren zu verhindern: durch eine verbesserte Kooperation zwischen Energieversorgern, Schuldnerberatungsstellen und Sozialleistungsträgern und die rechtzeitige Einleitung von Entschuldungsverfahren. Eine bessere Kommunikation und eine frühzeitige Beratung der Energieversorger zu Zahlungsmöglichkeiten und Raten sind hier besonders wichtig. Es ist anzustreben, dass die Kommunikation und frühzeitige Beratung verbessert wird.
Gehörlosengeld und Taubblindengeld einführen
In mehreren Bundesländern gibt es ein Gehörlosengeld und ein Taubblindengeld. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher nur ein Landesblindengeld und ein Landespflegegeld. Angesichts der besonderen Situation gehörloser und taubblinder Menschen mit ihren behinderungsbedingten Nachteilen ist eine Erweiterung um ein Gehörlosengeld und ein Taubblindengeld angebracht.
Es würde sich um einen wichtigen Schritt zur gleichberechtigten Teilhabe aller in unserer Gesellschaft lebenden Menschen handeln, weil die zusätzlichen finanziellen Belastungen gehörloser und taubblinder Menschen reduziert werden könnten. Notwendige behinderungsbedingte Mehraufwendungen, wie z. B. für Hilfsmittel (Lichtsignalanlagen, optische Rauchmelder oder Hörgeräte), die von den Kostenträgern nicht oder nur teilweise finanziert werden, oder für Gebärdendolmetscher im privaten Bereich, könnten mit den Leistungen finanziert werden. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der Leistungen (mit einer Dynamisierung) sollen sich an den anderen Bundesländern orientieren.