Kategorie Aktuelle Meldung Pflege

Pflege in Rheinland-Pfalz auf der Kippe

In einem gemeinsamen Pressegespräch diskutierten der Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz, die PflegeGesellschaft und die Landespflegekammer über die sich dramatisch zuspitzende Pflegesituation im Land und mögliche Lösungen.

Eine Frau und drei Männer sittzen an einem Tisch auf dem Mikrofone stehen.
Er gab den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine Stimme: Moritz Ehl (3. von links), VdK-Abteilungsleiter für Sozialpolitik und Sozialrecht, sprach beim Pressegespräch zum Thema "Pflege auf der Kippe". Ebenfalls mit am Tisch war unter anderem Dr. Markus Mai (rechts) und David Dietz (2. von links) als Geschäftsführer und Präsident der Landespflegekammer. © VdK | Scholl-Göttlinger

Aktuelle Situation

Die pflegerische Versorgung in Rheinland-Pfalz mit Angeboten in der ambulanten und stationären Pflege steht auf der Kippe. Die Grenze der Belastbarkeit ist überschritten: Pflegeheime und ambulante Pflegedienste müssen Pflegebedürftige ablehnen.  Krankenhaussozialdienste können eine Anschlussversorgung nicht mehr vermitteln. Das Personal arbeitet am Limit. Die Wartelisten werden länger. Verzweifelte Betroffene wenden sich an die Pflegestützpunkte und müssen feststellen, dass ihnen nicht geholfen werden kann. Es ist Zeit, zu handeln!

Statement PflegeGesellschaft

Die Vorsitzenden der PflegeGesellschaft Jutta Schier und Gerhard Lenzen: „Als Teil der Selbstverwaltung sind die Verbände der Pflegeeinrichtungen darauf angewiesen, dass Land und Pflegekassen gemeinsam an der Verbesserung der Situation mitwirken. Hierzu benötigen wir neben langfristigen Strategien auch schnelle Abhilfen. Die sinkende Auslastung bringt Heime in finanzielle Schieflage. Pflegedienste müssen Leistungen reduzieren und Bedürftige ablehnen. Wir fordern, die Finanzierung an die realen Auslastungen anzupassen und Personal flexibler koordinieren zu können, Pflegebedürftige zu entlasten sowie eine realitätsnahe Neubewertung ambulanter Pflegeleistungen“.

Statement Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz

Moritz Ehl, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Sozialrecht beim Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz e. V.: „Der größte Pflegedienst in Rheinland-Pfalz sind die Angehörigen: 17 von 20 Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Ohne häusliche Pflege würde die Versorgung zusammenbrechen – doch viele Angehörige sind zunehmend überlastet. Sie brauchen verlässliche Unterstützung durch Pflegedienste, ein ausreichendes Angebot von Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie einen besseren Überblick über die Leistungen. Bei den Entlastungsangeboten braucht es Bürokratieabbau. Zudem fordern wir eine landesweite Plattform, die freie Plätze bei Pflegediensten und in der Kurzzeitpflege vermittelt.“

Statement Landespflegekammer

Der Präsident der Landespflegekammer Dr. Markus Mai erklärt: „Die Pflegefachpersonen in Rheinland-Pfalz arbeiten ständig am Limit und oft darüber hinaus, was zu erheblichem Stress und erhöhtem Krankenstand führt. Die wirtschaftlichen Probleme der Einrichtungen verursachen Unsicherheiten hinsichtlich der Arbeitsplatzstabilität, und Berichte über Insolvenzen und Betriebsschließungen verstärken diese Verunsicherung. Sinkende Arbeitszufriedenheit und hohe Fluktuation verschärfen die Lage, da immer mehr Pflegefachpersonen den Beruf verlassen. Und das oft für immer!“

Statement Brüderkrankenhaus Trier

Klaudia Klaus-Höhl, Abteilungsleiterin Soziale Beratung und Betreuung im Brüderkrankenhaus Trier. „Bei allen Formen der Nachversorgung sind deutliche Lücken zu verzeichnen, v.a. wenn sie mit Pflegebedarf verbunden sind. Pflegedienste haben keine Kapazitäten mehr und Pflegeheime können trotz freier Betten niemanden mehr aufnehmen. Da zunehmend tragende Familienstrukturen fehlen, wird eine Entlassung in gesicherte Verhältnisse immer schwieriger und fordert mehr Zeit und personelle Ressourcen des Krankenhaussozialdienstes. Die Liegezeiten im Krankenhaus verlängern sich, führen dort zu Engpässen und verzögern die Aufnahme behandlungsbedürftiger Patienten“.

Statement Caritasverband Speyer

Regina Bernhart, Caritasverband Speyer für die Beratungs- und Koordinierungsstellen:

Die Anfragen an Beratung steigen, Unterstützung wird meist sofort gebraucht und gleichzeitig schrumpfen die Möglichkeiten, schnell die passende Unterstützung zu vermitteln. Die Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen müssen die Auswirkungen der oben nur angerissenen Problemlagen tragen. Menschen geraten in schwierige Versorgungssituationen, in extremen Fällen sind Menschen über längere Zeiträume gar nicht versorgt. Pflegebedürftige sind viel mehr auf familiäre Unterstützung angewiesen – darauf sind die wenigsten Familien und Arbeitgeber vorbereitet. Am ärgsten macht sich der Mangel bei Pflegebedürftigen ohne Angehörige, mit sehr hohem Aufwand, psychischen Erkrankungen oder geringer Compliance bemerkbar, diese fallen zunehmend durch das Raster.