Mutter arbeitet
Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2025 haben wir den Artikel “Mutter arbeitet” von 1950 aus dem VdK-Zeitungsarchiv hervorgeholt (Ausgabe “Die Wacht”). Lesen Sie, wie im Nachkriegsdeutschland Kriegswitwen kämpfen mussten, um die Dreifachaufgabe als Mutter, Hausfrau und Berufstätige in einer Person erfüllen zu können.

Von den Hinterbliebenenrenten, die der Staat und die Sozialversicherung zahlen, kann eine verwitwete Mutter nur in den seltensten Fällen leben. Hat sie also keine anderweitigen Einkünfte, so ist sie gezwungen, den Lebensunterhalt für ihre Familie durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Wenn sich nun eine solche Mutter dazu entscheiden muß, wieder oder erstmalig eine Arbeit außer Haus anzunehmen, dann ist ihre Situation nicht vergleichbar mit derjenigen einer kinderlosen Witwe oder einer Ledigen. Einwände von dieser Seite: „Wir müssen ja auch arbeiten!" sind töricht und zeugen von einer recht oberflächlichen Einstellung, die nicht frei von Gehässigkeit ist. Meistens verstummen derartige Hinweise, auch sofort, sobald die Betreffenden selber Mütter geworden sind. Sie erkennen alsdann die ganz besonderen Schwierigkeiten, mit denen eine berufstätige Mutter, noch dazu die verwitwete, zu kämpfen hat und verschließen sich nicht mehr der Einsicht, daß eine ausreichende Versorgung durch den Staat eine unerläßliche Forderung ist und bleibt.
Die dreifache Aufgabe:
Mutter, Hausfrau und Berufstätige in einer Person zu sein, verlangt zunächst eine völlige Umstellung, innerlich und äußerlich. Das Leben muß einfach ganz neu eingerichtet werden, weil alle früheren Maßstäbe nicht mehr zutreffen. Als Alleinstehende durfte man mehr oder minder nur an sich selbst denken. Als man heiratete, half der Mann mitsorgen und -planen, und war er ein rechter Hausvater, so durfte man ihm viele Sorgen ganz überlassen. Die verwitwete Mutter muß alle Entschlüsse allein fassen und verantworten. Sie muß dabei auch immer an die Kinder denken. Ihr Ziel ist, mit den Kindern so innig zu verwachsen, daß die kleine Familie den Vater nicht gar so schmerzlich vermißt. Ist ihr das noch möglich, wenn sie berufstätig ist? Die Erfahrungen vieler erwerbstätiger Kriegerwitwen mögen uns bei der Beantwortung dieser Frage zur Seite stehen.
Wenige kostbare Stunden verbleiben
Wenige kostbare Stunden verbleiben der berufstätigen Mutter für sich und ihre Kinder. Nicht uneingeschränkt natürlich - ach, dieses Glück genießen nur wenige -, sondern begrenzt durch das „zweite Tagewerk" der Mutter, die Arbeit im Haushalt. Aber man kann sich den Kindern nach Arbeitsschluß dadurch widmen, daß man sie mit zum Einkaufen nimmt und sich unterwegs alles erzählen läßt, was sich so im Laufe des Tages angesammelt hat. Man kann sich beim Aufräumen und Geschirrspülen helfen lassen und wird gerade bei diesem kameradschaftlichen Zusammenarbeiten, bei dem sich Hemmungen leichter überwinden, von den Kindern manches Geständnis hören und so manches erfahren, was sonst verschwiegen worden wäre. Auf solche Weise nimmt die Mutter ständig Anteil am Erleben der Kinder, und sie fühlen sich nicht „abgehängt" und sich selbst überlassen. Das ist sehr wichtig für die Erziehung: denn Kinder nützen es schnell aus, wenn die Mutter aus Gleichgültigkeit oder Müdigkeit sich nicht genügend um sie kümmert. Sie streben dann innerlich von ihr weg, führen ihr Leben auf eigene Faust und verwahrlosen.
Wo die Mutter das gleichermaßen geliebte wie respektierte Oberhaupt der vaterlosen Familie ist, da freuen sich die Kinder die ganze Woche über auf den Sonntag, an dem die Mutter ihnen ganz gehört. Selige Insel im grauen Meer der Arbeitswoche! Am freien Samstagnachmittag ist alle Hausarbeit erledigt worden, damit der Sonntag wirklich ein Feiertag werden kann. Die Kinder haben, soweit es in ihren Kräften stand, eifrig mitgeholfen. Es ist doch auch so schön, wenn Mutter des Sonntags mit ihnen eine kleine Wanderung macht oder eine Radtour oder doch wenigstens einen Spaziergang! Solch ein unbeschwerter, fröhlicher Sonntag bedeutet ein seelisches Kräftereservoir für Mutter und Kinder. Überdies tut es gerade der Berufstätigen gut, sich einmal in der Woche vor Alltagsmilieu ganz frei zu machen.
Und wochentags?
Wo aber bleiben die Kinder tagsüber, wenn die Mutter arbeitet? Natürlich sind Kindergärten und -horte die beste Lösung dieses Problems, jedoch es gibt deren noch viel zu wenige. Wo sie fehlen oder aus irgendwelchen Gründen nicht in Frage kommen, sollten die Kriegerwitwen auch hier ihre kameradschaftliche Verbundenheit zeigen. Glücklicherweise ist ja nicht jede von ihnen wirtschaftlich zur Erwerbstätigkeit gezwungen, und mit gutem Willen dürfte es möglich sein, das Kind oder die Kinder der weniger glücklichen Kameradin tagsüber zu betreuen. Die Schreiberin dieser Zeilen konnte während ihrer Arbeitszeit ihren kleinen Jungen sogar zu einer Mutter von fünf Kindern geben und es war für mein „Alleinkind" ganz gut, sich in der tosenden Brandung dieser frischfröhlichen Kinderschar bewähren und behaupten zu müssen. Jede berufstätige Mutter wird mir bestätigen, welche Beruhigung es ist, wenn man die Kinder in guten Händen weiß, wenn jemand die Schularbeiten überwacht, für regelmäßiges Essen sorgt und auch ein Auge auf den Umgang der Kinder hat.
Aber freilich: gut erzogen müssen unsere Kinder sein: denn es wäre von hilfsbereiten Frauen wohl zuviel verlangt, sich über Gebühr mit ihnen herumärgern zu müssen. Und da wir Menschen nun mal über dem Splitter im Auge des anderen den Balken im eigenen vergessen, tadeln wir manchen Fehler an fremden Kindern, den unsere eigenen vielleicht noch schlimmer an sich haben.
Damit muß die berufstätige Mutter also rechnen, die ihre Kinder anderen anvertraut. Tut sie in der Erziehung aber ihr bestes (s. den Aufsatz , Wenn der Vater fehlt" in der heutigen Ausgabe), so darf sie getrost sein, daß ihre Kinder keine Plage sind. In den Ländern der bolschewistischen Ideologie ist die Erwerbsarbeit auch der Mütter eine Selbstverständlichkeit, wenn nicht sogar eine Pflicht. Das ist sie aber ganz und gar nicht: denn eine Mutter, die außerhäuslich arbeiten muß, gleicht einer Kerze, die an beiden Enden brennt, sich also vorzeitig verzehrt. Der Staat, der seine Mütter arbeiten läßt, verstößt gegen sein eigenes Lebensgesetz.
E. Н.